Verbesserungsmanagement – Kritik als Geschenk
Immer dort, wo mit Menschen an Menschen gearbeitet wird, ist das Konfliktpotential hoch. Wir leisten 10.000 Pflegeeinsätze im Monat, 10.000 Begegnungen mit unseren Kunden, deren Angehörigen, Ärzten und Betreuern. 10.000-mal im Monat haben wir den Auftrag, den wir von unseren Kunden erhalten, auszuführen und 10.000-mal treffen verschiedene Einstellungen der Menschen, die sich begegnen, aufeinander. Ich bin immer wieder begeistert, dass in diesen ganzen Begegnungen, unsere Mitarbeiter nach ihrem Einsatz überwiegend zufriedenen Kunden hinterlassen.
Stärken und Schwächen
Doch unsere Mitarbeiter arbeiten in Teams an den verschiedenen Kundengruppen. In diesen Teams gibt es oftmals unterschiedliche Vorstellungen, wie gearbeitet werden soll. Die Mitarbeiter haben unterschiedliche Talente und damit sind sie auch unterschiedlich stark in den verschiedenen Versorgungssituationen. Die einen haben die Fähigkeit, sich sehr empathisch auf demenziell Erkrankte Menschen einzustellen, andere sind die Helden der Wundversorgung und wieder andere sorgen immer für ein sortiertes Umfeld, welches eine geregelte Versorgung besser ermöglicht.
In diesem Gefüge versteht es sich von selbst, dass unterschiedliche Einstellungen und Sichtweisen zu unterschiedlichen Bewertungen führen. Doch wie damit umgehen? Wir üben uns immer wieder in Kritikgesprächen und im Laufe der Zeit habe ich gelernt, Kritik als Geschenk zu sehen. In angemessener, sachlicher Form unter vier Augen ist sie ein Motor in der Persönlichkeitsentwicklung. Kritik in der richtigen Form kann die Bereitschaft, Kritik anzunehmen, erhöhen und damit ein persönliches Wachstum fördern.
Die positive Seite
Doch dieser professionelle Umgang fällt oftmals nicht leicht und will geübt sein. Bei Hilfe Daheim haben wir uns auf den Weg gemacht, Kritik als etwas Positives wahrzunehmen, etwas das uns hilft, besser zu werden. Ein wesentlicher Teil ist es, nicht über jemanden zu reden, sondern mit dem Betroffenen ganz konkret Situationen zu besprechen, die verbesserungswürdig sind. Das ist nicht immer leicht und braucht die Bereitschaft von beiden Seiten. Kritik angemessen und sachlich zu kommunizieren und die Bereitschaft, sich diese anzuhören, ohne sich sofort zu rechtfertigen.
Wenn Mitarbeiter ihre Kollegen kritisieren, tun sie das in ihrer privaten Zeit, es kostet sie Überwindung und manchmal braucht es mehrere Anläufe, um auf einen Nenner zu kommen. Ich empfinde es als ein echtes Geschenk, Kritik zu bekommen, diese zu hinterfragen und mich reflektieren zu können, um dann mein Handeln zu ändern und damit persönlich zu wachsen. Das fällt mir nicht immer leicht. Ich habe es oftmals mit verärgerten Kunden oder emotionsgeladenen Angehörigen zu tun, die in einer besonderen Ausnahmesituation, durch Krankheit und Pflegebedürftigkeit, stehen und aus dieser Situation heraus emotional belastet sind. Doch ich versuche immer die positive Seite der angebrachten Kritik zu sehen. Das ist manchmal eine Herausforderung.
Nicht mit Lob sparen
Mir stehen manchmal die Nackenhaare zu Berge, weil eine Beschwerde mich derart anfasst, dass es mir schwerfällt, professionell damit umzugehen. Wenn das der Fall ist, gebe ich mir die Zeit und schlafe immer eine Nacht über das an mich herangetragene Problem. Das hat mich schon oft vor unangemessenen Reaktionen meinerseits gerettet.
Wir haben bei Hilfe Daheim bewusst unser Beschwerdemanagement in Verbesserungsmanagement umbenannt. Das hilft uns immer wieder positiv mit Kritik von Angehörigen, Kunden und Interessenspartnern umzugehen und diese als solche zu betrachten. Doch bei der Beschäftigung mit dem Thema Kritik ist uns aufgefallen, wie viel Kraft ein Lob hat und dass es mindestens genauso wichtig ist, Situationen zu feiern, die richtig gut gelaufen sind und nicht mit Lob zu sparen, wie Dinge zu kritisieren, die verbesserungswürdig sind.
Tadeln ist leicht; deshalb versuchen sich so viele darin. Mit Verstand loben ist schwer; darum tun es so wenige.