Plötzlich Wohngemeinschaft

Im November rief mich ein Kooperationspartner an, ob wir uns vorstellen können, eine ambulante Demenz-WG zu übernehmen. Sieben Menschen, die an Demenz erkrankt sind, brauchen einen neuen Pflegedienst. Ihr aktueller Dienst hatte die Versorgung gekündigt. Ich fühle mich solchen Hilferufen immer verpflichtet und finde es fast unmöglich dann „Nein“ zu sagen. Doch andererseits bedeutet eine solche Versorgung mehr als 1300 Mitarbeiterstunden, woher sollen die kommen? Ich traf mich unverbindlich mit den Angehörigen in der WG, lernte deren Eltern kennen und der Rest ist Geschichte.

Beschauliche Winterzeit oder Arbeit im Akkord? Foto: N. Gatz

Schiff in stürmischer See

Wir haben so viel gearbeitet, kommuniziert und geplant. Meine Kollegen Carola und Karim waren zum Start der WG im Dauereinsatz und haben das Schiff in stürmischer See begleitet. Zusammen mit vielen anderen haben sie dafür gesorgt, dass alle an Bord sind und niemand über Bord geht. Ich habe währenddessen mit dem Rest des Teams versucht, alle anderen Belange unserer Kunden zu erledigen und dafür zu sorgen, dass unsere „alten Kunden“ nicht unter der Entscheidung, diesen Menschen in der WG zu helfen, leiden.

Im letzten Monat habe ich innerhalb von drei Wochen 14 Bewerbungsgespräche geführt, um die passenden Menschen zur Unterstützung der Versorgung in der Wohngemeinschaft zu finden. Wo die Bewerbungen in Zeiten des Fachkraftmangels herkamen? Ich habe keine Ahnung. Ich sehe es als Fügung, es sollte so sein, dass wir diesen Menschen helfen und der Rest hat und wird sich finden. So versorgen wir seit dem 10. November die WG-Bewohner. Zusammenmit den Angehörigen, die Lücken schließen, die wir noch nicht ausfüllen können, sowie mit Hilfe der Tagespflege „Haus am Kanal“. Gemeinsam, mit regem Austausch und empathischem Miteinander lernen wir voneinander und schaffen, was anfangs unmöglich erschien.

Weihnachten einander helfen – Miteinander statt jeder für sich. Foto: N. Gatz

Ein helles Licht zur Weihnachtszeit

Langsam, ganz langsam habe ich das Gefühl wir haben es im Griff und aus dem anfänglichen Sturm ist ein guter Fahrtwind geworden. Wir sind noch lange nicht am Ziel angekommen, sind aber auf dem richtigen Kurs. Mit der richtigen Mannschaft ist alles zu erreichen. Wenngleich es so viel Arbeit und eine riesige Herausforderung war bin ich glücklich, dass wir sie angenommen haben. Die Zusammenarbeit mit den Menschen, die die Versorgung der WG-Bewohner möglich gemacht haben, das Verständnis und der Blick füreinander- das ist es was wirklich zählt und leider oftmals zu kurz kommt.

All das ist für mich ein helles Licht zu Weihnachten. Es steht für das Miteinander und dafür, dass wenn alle mithelfen, Unmögliches möglich sein kann. Es ist die Basis, der Kitt, der eine zivilisierte, demokratische Gesellschaft zusammenhält. Etwas wofür es sich immer wieder lohnt einzustehen und zu kämpfen. Nicht immer „ich zuerst“ und schon gar nicht „nur ich“, sondern gemeinsam etwas bewegen, das ist es wofür es sich lohnt und was uns Menschen aus Herzberufen (so nennt man Menschen aus der Pflege) oftmals antreibt.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien, allen Interessenspartner und wer immer diesen Blog liest frohe Weihnachten und ein gesundes Jahr 2023, mit Herausforderungen, die es zu lösen gilt, mit Menschen, die an Ihrer Seite stehen, um die Welt jeden Tag ein bisschen besser zu machen.

Nicole Gatz
Pflegedienstleitung bei Hilfe Daheim