Perspektivenwechsel – auf der anderen Seite der Pflege

Die letzten Monate waren wirklich anstrengend, eine echte Herausforderung für Körper, Geist und Seele. Ich habe das alles so hingenommen und die Signale, die mir mein Körper gegeben hat, ignoriert. An einem Donnerstag bei Hilfe Daheim war es dann nicht mehr zu ignorieren und ich fuhr das erste Mal in meinem Leben im Rettungswagen. Zwar ohne Blaulicht, aber immerhin… Ich hatte mich dazu überreden lassen, als reine Vorsichtsmaßnahme und zur Beruhigung, dass mit mir alles in Ordnung ist.

Trist: Krankenhausaufenthalt wieder Willen. Foto: N. Gatz
Trist: Krankenhausaufenthalt wieder Willen. Foto: N. Gatz

Notaufnahme

Ankunft in der Notaufnahme des Krankenhauses, in dem ich am wenigsten sein wollte. Immer mit der Maßgabe einer kurzen Untersuchung und dann ab nach Hause. Kurze professionelle Übergabe des Sanitäterteams an das Notaufnahmepersonal und dann beginnt das Warten. Es ist 15:00 Uhr, bei mir wird ein Nasenabstrich gemacht, um mich auf das Coronavirus zu testen. Um 16:00 Uhr eine Blutabnahme, wieder warten. Um 17:00 Uhr das erste Mal Kontakt zu einem Arzt, der mir verrät, dass meine Blutwerte nicht in Ordnung sind und eine erneute Blutabnahme gemacht werden muss. Um 18:00 Uhr sind die neuen Blutwerte da und es ist klar: Ich muss im Krankenhaus bleiben.

In die Notaufnahme kommt ein Patient nach dem anderen. Eine demente Frau ruft und schreit die ganze Zeit, ein alkoholisierter Mann krakeelt laut herum und ich muss hierbleiben. Ich fühle mich hilflos, merke, dass Angst in mir aufkommt. Bis heute Mittag hatte ich mein Leben „scheinbar“ in der Hand und nun, am späten Abend, hat sich meine Welt verändert. So schnell geht das, vom Helfer zum Hilflosen in nicht einmal 24 Stunden. Um 23:00 Uhr werde ich auf eine Überwachungsstation verlegt und fühle mich erschöpft, überfordert und einsam. Am nächsten Morgen habe ich die alles entscheidenden Untersuchungen, früh am Morgen muss ich nüchtern bleiben und werde von einer Untersuchung zur nächsten gebracht. Von den Beruhigungsmitteln, die ich bekomme, bin ich so eingeschränkt, dass ich nur wenig von den Untersuchungen mitbekomme, damit bleiben die Ergebnisse aber auch erst einmal unausgesprochen.

Ärzte schulden keinen Erfolg, aber sehr wohl Bemühen

Erst in den nächsten Tagen erfahre ich meine Diagnose. Nicht, indem mir diese ein Arzt mitteilt, sondern weil ich eine Vermutung habe, diese äußere und dann die Bestätigung bekomme. Auf Nachfrage, mit mehreren Ärzten in meinem Zimmer, inklusive einer Praxisanleiterin, die einer Auszubildenden das Blutabnehmen beibringen will (an mir), erfahre ich die Diagnose, die mein Leben in den nächsten Monaten bestimmen wird. Emphatisch geht anders. Ich habe im Studium gelernt, dass das Gesundheitswesen unter den Bedingungen des Dienstvertrages arbeitet, das bedeutet, Ärzte und Schwestern schulden mit ihrer Tätigkeit keinen Erfolg, aber sehr wohl das Bemühen, nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln. Das habe ich an jedem Tag im Krankenhaus vermisst. Vom Essen bis zur physischen und psychischen Unterstützung habe ich dieses Bemühen nicht gespürt.

Hilflosigkeit - Im Krankenhaus auf andere angewiesen sein. Foto: A. Gatz
Hilflosigkeit – Im Krankenhaus auf andere angewiesen sein. Foto: A. Gatz

Eine neue Chance

Ich habe eine Familie, die bei mir war, die Informationen eingefordert hat, die sich gekümmert hat. Viele Menschen haben das nicht. Ich habe selbst Dinge eingefordert, Erklärungen gefordert, keine Infusionen wortlos an meinen Zugang anschließen lassen, zu jedem Medikament, das ich einnehmen sollte, eine Erklärung gefordert. Unsere Kunden von Hilfe Daheim können das oftmals nicht. Weil sie zu krank, zu schwach, zu dement oder aber mutlos sind. Ich glaube fest daran, dass alles seinen Sinn hat. Dass mir das passiert ist, eröffnet mir einmal mehr eine zusätzliche Perspektive für unsere Kunden bei Hilfe Daheim.

Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus haben mir so viele Menschen, Familie, Freunde und behandelnde Ärzte die Motivation gegeben, die ich nun brauche. So verzweifelt ich auch im Krankenhaus war, so zuversichtlich bin ich jetzt. Ich werde diese Chance nutzen, um mein Leben noch einmal neu zu ordnen. Ich habe es mir bis jetzt nicht richtig bewusst gemacht, aber auch mein Leben ist endlich und ich habe vor, mit dem Rest meines Lebens behutsamer umzugehen.

2 Kommentare

  1. Liebe Frau Gatz,
    nachdenklich habe ich Ihren Beitrag gelesen. Manchmal sind es solche unvorhergesehene Momente, die einem wirklich bewusst machen, dass es auch andere Dinge im Leben sind, die wichtiger als alles Andere sind….nämlich die eigene Gesundheit. Ich weiß, wovon ich spreche und wünsche Ihnen beste Genesung und weiterhin viel Gesundheit für Ihre Zukunft.
    Mit freundlichen Grüßen,
    Uwe Jenz

  2. Sehr geehrte Frau Gatz,
    Ich fühlte mich 100% og angesprochen. Ich will mich auch verändern. Das Betreuungteam daheim möchte ich unterstützen. Bitte melde Sie sich bei mir.
    Mit freundlichen Grüßen von Andrea

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