Kontrolle statt klatschen
Zu Beginn der Pandemie hat die Politik für die Pflege viele Erleichterungen ins Leben gerufen. Es gab Unterstützung bezogen auf die Qualifikation von Pflegenden, Beratungstermine wurden abgesagt und die jährlichen Qualitätskontrollen durch den Medizinischen Dienst der Kassen (MDK) wurden bis zum 30.09.2020 ausgesetzt. Die Politik versprach in öffentlichen Diskussionen mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte. Die Bevölkerung war voller Anerkennung für die Pflegekräfte und hat täglich für ihren Einsatz auf Balkonen geklatscht.
Medizinische und pflegerische Einrichtungen haben in den vergangenen Monaten viel geleistet. Zusätzlich zum bestehenden verdichteten Pflegealltag kamen das Erstellen, Umsetzen und Einhalten von Hygienekonzepten. Diese jeweiligen Maßnahmen wurden immer wieder an den neuesten Pandemiewissenstand angepasst. Mitarbeiter mussten geschult und Patienten und deren Angehörige beraten werden. Der tägliche Kampf um Schutzmaterialien, wie Masken und Kittel, haben seine Spuren hinterlassen.
In diesem letzten halben Jahr haben viele Entscheider in der Pflege Federn gelassen, das gilt auch für mich. Die Arbeit war herausfordernd und anstrengend und jeder Tag ohne Infektionen bei Hilfe Daheim war und ist ein guter Tag. Ich bin dankbar um die umsichtige Arbeitsweise meiner Mitarbeiter und den Verzicht unserer Kunden auf „unnötige Außenkontakte“, all das hat dazu beigetragen, dass wir alle bis heute ohne Coronainfektion überstanden haben.
Die Pandemie hat uns im Griff
Nun steigen die Fallzahlen wieder, jetzt haben wir täglich über 6000 Neuinfektionen und… der MDK prüft wieder. Ist es sinnvoll, bei steigenden Fallzahlen in eine Einrichtung zu gehen, wo alle nicht notwendigen Kontakte unterbleiben sollen, um zu prüfen, ob die Struktur sowie Prozess- und Ergebnisqualität einer Einrichtung in Ordnung sind? Zusätzliche externe Kontakte wie MDK-Prüfer (was das bedeutet, habe ich im Blog „Wer hat Angst vorm MDK?“ ausführlich beschrieben) bringen die Patientengruppe, die unseren vollen Schutz benötigt, in vermeidbare Gefahr. Dies zur kurzen Erläuterung, um einen Einblick zu bekommen, wie es um die Pflege steht.
Ich könnte verstehen, wenn es um die Unterstützung von Pflegeeinrichtungen ginge. Gute Tipps aus der Praxis, wie mit sowieso schon wenigen Pflegekräften während einer Pandemie ressourcenschonend gearbeitet werden kann oder ein Ausbruchsgeschehen bewältigt werden kann. Ich kann nicht verstehen, wenn veränderte Bedingungen keine veränderten Maßnahmen zur Folge haben. Jetzt ist nicht die Zeit der Kontrollen, sondern es ist unbedingt notwendig, alle Kräfte zu bündeln, um diese Pandemie zu überstehen, und zwar mit möglichst wendigen Todesfällen.
Die Gedanken sind frei
Die Pflege braucht die Unterstützung der Bevölkerung und Politik, damit das nicht der Tropfen wird, der das Fass zum Überlaufen bringt. Es wäre nicht gut, wenn sich nach und nach die Pflegekräfte aus der Pflege verabschieden, weil die Bedingungen sich verschlechtern, weil Versprechen nicht eingehalten werden und weil selbst in so einer herausfordernden Zeit wie einer Pandemie kontrolliert und nicht beratend geholfen wird.
Heute möchte ich enden mit einer Hymne des Widerstands von Hoffmann von Fallersleben: “Die Gedanken sind frei…“