Hallo Herr Spahn…

Hallo Herr Spahn, ich habe es getan. Ich war auf einer Veranstaltung eingeladen, es ging um Pflege, wie so oft im vergangenen Jahr, und Sie waren auch da. Sie waren eine Stunde zu spät, dynamischer Auftritt, entschlossen und rhetorisch perfekt. Geladen hatte Herr Flotow, der Geschäftsführer von PFLEGEN & WOHNEN HAMBURG und mein Vorstandskollege. Ich höre Herrn Flotow gerne zu, wenn er spricht, weil er wirklich etwas zu sagen hat. Ein ehrlicher und guter Sprecher ohne hohle Phrasen.

Den Weg zur Veranstaltung ging ich mit vielen Pflegekräften, die ebenfalls hören wollten, was Sie, Herr Spahn, zu sagen hatten. Die Pflegekräfte waren alle gewillt, Ihnen zu sagen, worum es ihnen wirklich geht. Ja, sie waren voller Emotionen und es wurden kurz die Themen ausgetauscht, die Frau auf dem Herzen hat, aber alle Beteiligten mit dem festen Willen, diese Themen auch an den Mann zu bringen und Gehör für ihre Situation zu finden.

Herr Spahn und Herr Flotow (v.l.nr.) bei der Veranstaltung „Politik trifft Pflege“. Foto: Peter Vogel, Hamburg
Herr Spahn und Herr Flotow (v.l.n.r.) bei der Veranstaltung „Politik trifft Pflege“. Foto: Peter Vogel, Hamburg

Die Zeit reicht nicht

Ich finde es wirklich sehr besonders, denn trotz der hohen Arbeitsbelastung, trotz des Frustes über die Situation, in der viele von ihnen arbeiten müssen, haben sie sich aufgemacht, um mit Ihnen ins Gespräch zu kommen. Sie kamen eine Stunde zu spät. Sie hätten eine Stunde von der einen zur anderen Veranstaltung gebraucht und die Verkehrssituation, wie Sie sagten, sei schwierig in Hamburg. Ja, Herr Spahn, das stimmt, aber nicht schlimmer als für alle anderen Gäste und die waren pünktlich. Sie beginnen Ihre Einleitung mit den Worten, dass Sie erschüttert seien, dass in der Bevölkerung das Vertrauen verloren gegangen sei. Als nächstes sprechen Sie über den respektvollen Umgang, der, bezogen auf die sozialen Medien, wieder gelernt werden müsse.

Es konnten neun Menschen Fragen stellen, für mehr reicht die Zeit leider nicht. Sie hatten die Zeit schon verlängert, da Sie ja zu spät kamen. Bei der Beantwortung der Fragen flochten Sie mit ein, dass Sie an einem Feiertag ein Krankenhaus besucht hätten, Merci-Schokolade als Mitbringsel, um einmal Danke zu sagen. Ihnen wiederum habe man dies mit einem Shitstorm gedankt. Sie erwähnten Frau Merkel, die in einer Rede die schwere Arbeit der Pflegekräfte angeführt habe, welche schwerer sei als ihre eigene, auch dafür sei Frau Merkel mit einem Shitstorm belohnt worden. Das fänden Sie schwierig und verwirrend, ich nicht.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn findet die Situation "schwierig". Foto: Peter Vogel, Hamburg
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn findet die Situation „schwierig“. Foto: Peter Vogel, Hamburg

Ja zu Ehrlichkeit und Engagement

Menschen spüren Ehrlichkeit, sie wissen, wann es jemand wirklich gut mit ihnen meint. Es ist einfach schwierig zu sehen, dass Sie sich bei der ersten Gelegenheit, die sich Ihnen bot, als Gesundheitsminister verabschieden wollten, um für die Verteidigung dieses Landes als neuer Bundesminister zu sorgen. Auch wenn Ihre Kollegen Ihren Fleiß und Ihre schnelle Taktung loben, werde ich das Gefühl nicht los, dass Sie sich mit dem Amt als Gesundheitsminister ein Sprungbrett in ein „besseres Resort“ suchen wollten. Das kommt nicht wirklich gut an.

Ich möchte nicht respektlos klingen, mir ist wohl bewusst, dass Ihre Arbeit nervenaufreibend und mit vielen Herausforderungen verbunden ist. Ich möchte auch nicht mit Ihnen tauschen. Doch Sie haben sich für das Amt des Gesundheitsministers entschieden und sind damit entscheidend für die gesundheitliche Zukunft dieses Landes verantwortlich. Ich wünsche mir von Ihnen ein dickes JA zu Ihrem Job, ein paar Veranstaltungen weniger, an denen Sie teilnehmen müssen, und dadurch mehr Zeit für all die Menschen, die sich auf den Weg gemacht haben. Nicht nur Fragen beantworten, sondern Fragen stellen. Das könnte helfen, als wirklich emphatisch und interessiert wahrgenommen zu werden. Und das schafft Vertrauen.

Wo bleibt die ambulante Pflege? Diese Frage bleibt unbeantwortet... Foto: Peter Vogel, Hamburg
Wo bleibt die ambulante Pflege? Diese Frage bleibt unbeantwortet… Foto: Peter Vogel, Hamburg

Wo bleibt die ambulante Pflege?

Auch wenn Sie diesen Blog wahrscheinlich niemals lesen werden, möchte ich Ihnen auf diesem Wege mitteilen, was ich bereits an diesem Abend gern versucht hätte, Ihnen mit auf den Weg zu geben. Bei all Ihren Bemühungen für die stationäre Kurz- und Langzeitpflege haben Sie leider die ambulante Pflege vergessen. Sie haben mehr Stellen für die Langzeitpflege versprochen und mehr Geld im kommenden Jahr für die Krankenhäuser. Geld, das unbürokratisch habe verteilt werden sollen. Versprochen war, dass Gehälter, die erhöht werden, refinanziert werden. Das ist aber nicht passiert.

Wir in der ambulanten Pflege versuchen mühsam, mit den Kassen zu verhandeln, um einen Teil des Geldes für erhöhte Gehälter refinanziert zu bekommen, das klappt jedoch nur mäßig. Viele Pflegedienste müssen schließen, weil sie dieser Situation nicht mehr gewachsen sind. Doch alle Systeme im Gesundheitswesen wurden in der Vergangenheit so aufgebaut, dass eine ambulante Versorgung zwingend notwendig ist. Ich sehe dringenden Handlungsbedarf, denn auch, wenn es nur langsam dunkel wird, geht irgendwann das Licht aus. Jeder Pflegedienst, der heute aufgibt, weil er die Situation so nicht mehr halten kann, ist einer zu viel.

Kein Ende in Sicht

Ich bitte Sie um zeitnahe Verbesserung unsere Situation, damit nicht noch mehr Menschen verzweifelt einen Pflegedienst suchen müssen. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wo all die abgelehnten Pflegeersuche landen. Pflegebedürftigkeit ist immer eine Grenzsituation, ein ganz persönlicher Notfall, und wir als Gesellschaft müssen eine Lösung für die Versorgung eines Jeden sicherstellen. Herr Spahn, ich bin mir unsicher, wie ich diesen Blog beenden soll, denn bis heute ist kein gutes Ende in Sicht.

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