Der Ton macht die Musik

Was hat sich so verändert, dass viele Menschen um mich herum gestresst sind, oftmals genervt reagieren und eher nach einer Begründung suchen, warum Dinge nicht möglich sind, anstatt nach Lösungen zu suchen und Dinge möglich zu machen?

Im Gesundheitswesen, dieselbe Situation: alles ist schwierig, braucht sehr viel Zeit und Geduld. Ohne ein funktionierendes Netzwerk, ist es schwer bis unmöglich, eine gute Versorgung unserer Kunden zu gewährleisten. Eine unserer Angehörigen erzählte, sie habe im Krankenhaus den Grundpflegezustand ihrer Mutter moniert und als Antwort bekommen: “Wir leisten schon lange keine Grundpflege mehr, dafür haben wir keine Zeit!“. Unglaublich, aber wahr. Was ist da los, dass eine Pflegekraft keine Zeit mehr hat, ihrer ureigenste Aufgabe, der Pflege von Menschen, nachzugehen?

Keine Zeit, keine Geduld – mehr Druck, mehr Herausforderungen. Foto: A. Gatz

Im Ton vergriffen?

Früher ist mir aufgefallen, wenn jemand unfreundlich war, sich im Ton vergriffen hat. Heute fällt mir auf, wenn ich am Telefon freundlich behandelt werde und Versprechungen auch eingehalten werden. Es ist um so vieles angenehmer, Herausforderungen lösungsorientiert und wohlwollend zu begegnen, anstatt gleich eine abwehrende Haltung einzunehmen. Es kostet nicht mehr Zeit, Geld und hinterlässt in jedem Fall ein besseres Gefühl.

Ich nehme mir vor, viel öfter auch einmal Danke zu sagen, wenn ich mich gut behandelt gefühlt habe, wenn mein Gegenüber für mich mein Anliegen gelöst hat, ich gaube das hilft. Auch ich bin verantwortlich meinem Gegenüber widerzuspiegeln, dass etwas gut gelaufen ist und mit Lob nicht zu sparen.

Besser zuzuhören, auch und gerade den Menschen, die eine andere Meinung als meine vertreten, kann doch nicht so schwer sein. Es fällt viel leichter mit Freunden und Familie zu reden, sich einig zu sein und gleiche Meinungen zu vertreten, als auszuhalten, dass jemand eine völlig konträre Meinung vertritt. Gerade dann erscheint es mir wichtig, miteinander ins Gespräch zu kommen, voneinander zu lernen und vielleicht ein besseres Verständnis füreinander zu bekommen.

Eigenverantwortlich handeln und reflektieren – das soziale Gefüge stärken. Foto: N. Gatz

Die Welt ein bisschen besser machen

Wer ist dafür zuständig, dass sich das wieder ändert? Wo kann ich hinschreiben, dass es wieder wird wie früher? Es gibt doch in Deutschland für alles eine Stelle, an die man sich wenden kann. Die Antwort ist so simpel: “Ich, Sie, wir alle“. Nur wenn es uns wieder wichtig wird, unser soziales Gefüge zu stärken, wenn die Eigenverantwortung im Vordergrund steht und der Wille zur Veränderung da ist, kann das gelingen.

Reflektion ist für mich das Zauberwort. Es ist nicht schlimm, wenn etwas nicht gut gelaufen ist, wenn jemand einen schlechten Tag hatte und wenig freundlich war. Doch sich zu reflektieren und zu erkennen, wo Defizite liegen, auch einmal „sorry“ zu sagen – das ist ein Baustein für ein gutes Miteinander und respektvollen Umgang.

Ich wünsche mir, dass unsere Pflegekräfte auch öfter hören, was alles gut läuft, anstatt der Kritik wenn etwas nicht gut gelaufen ist. Ein Lob oder Anerkennung verleiht dem, der es bekommt Flügel, motiviert und das Beste ist, es kostet nichts.

Nicole Gatz
Pflegedienstleitung bei Hilfe Daheim